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Ueber Willibald Alexis

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Saved by Joachim Linder
on November 22, 2010 at 8:54:46 am
 

 

Im Aufbau ...

 



 

O. N.: Deutsche Vierteljahrsschrift 1 (1847), S. 427

 

Ein Roman scheint uns vorzugsweise Erwähnung zu verdienen: «Die Hosen des Herrn von Bredow," von W. Alexis, einem unserer ausgezeichnetsten Romanschriftsteller, der zum Theil etwas herb und schroff in Form und Sprache, doch immer lebendig, kräftig, anschaulich und objectiv zu erzählen und darzustellen weiß. Der gegenwärtige Roman bewegt sich in glücklicher Mittelstellung zwischen Idylle und Spott, Geschichti- und Familienleben, und darf namentlich wegen der sorgsamen Ausarbeitung, die auf das kleinste Detail wie besonders auch auf die Cbarakteristik der darin auftretenden Personen verwandt ist, als Muster aufgestellt werden, gegenüber den vielen neuern Romanschriftstellern, welche ihre Gemälde nur flüchtig anlegen und sich höchstens mit geistvoller Skizzirung begnügen. W. Alexis hat sich vorzüglich die Mark ausersehen, um aus dieser Sandscholle seine Romanstoffe zu ziehen, wie bereits sein „Cabanis," sein "Roland von Berlin" und sein „falscher Waldemar" beweisen, und was sich Poetisches aus den Märkischen Zuständen früherer Zeit machen läßt, hat er redlich daraus gemacht. Diese Vorliebe ist keine Caprice dieses durch und durch männlichen, immer noch zu wenig anerkannten Schriftstellers, sondern ein Resultat ächter historischer Erkenntnis, indem diese verrufene sandige Mark trotz ihrer auswärts so wenig beliebten modernen Berliner auch jetzt noch der lebensvolle gediegene Kern der preußischen Monarchie ist, die sich in wenigen Jahrhunderten durch die Weisheit ihrer Herrscher und die nachhaltige Kraft ihrer Bewohner aus einem Reiche letzten Ranges zu einem Weltreiche emporarbeitete und gewiß noch eine sehr großartige Aufgabe zu lösen hat und lösen wird. Eine solche Erscheinung ist allerdings sehr geeignet den Dichter zu ihrer poetischen Verherrlichung aufzufordern, und mit Vergnügen sehen wir den künftigen märkischen Romanen des Verf. entgegen, in denen er die interessante Reformatlonszeriote des Landes zu behandeln gedenkt. Ton und Haltung des genannten Romans sind durchaus gesund, kräftig, zum Theil wohlthuend humoristisch. Doch ist auch W. Alexis von Verstimmung nicht frei; er hat sie jedoch aus dem Roman in die Vorrede verwiesen.

 

Deutsches Museum 4 (1854), S. 768-770

 

Rezension Isegrimm (mmr)

Fruchtbarkeit und Gediegenheit sind zwei Eigenschaften, die sich überall nur selten vereinigt finden, am seltensten aber bei unsern deutschen Romanschreibern. Bei der Mehrzahl derselben steht die Menge der Productioncn mit ihrer Güte in umgekehrtem Verhältniß; während unsere bessern Schriftsteller Jahre gebrauchen, um ein Buch zu vollenden, das hinterher doch auch nur ein Tropfen mehr ist im Ocean, setzen die Proletarier der Literatur Bücher auf Bücher in die Welt und beuten die Neugier des Publicums mit Erzeugnissen aus, deren Leichtfertigkeit nur ihrer Vergänglichkeit gleichkommt. Eine rühmliche Ausnahme von dieser echt deutschen Regel bildet Wilibald Alexis. Seit mehr als dreißig Jahren gehört er zu unsern beliebtesten und fleißigsten Schriftstellern, seine Bücher sind zahlreich, fast alle Jahre läßt er deren neue erscheinen, und jedes derselben zeigt nicht nur das Talent, sondern auch die Sorgfalt des Verfassers im Wachsen. Diese Fruchtbarkeit ist aber um so mehr zu bewundern, je enger der Kreis ist, auf welchem der Dichter sich seit Jahren bewegt. Wilibald Alexis ist der eigentliche Dichter der Mark, deren anscheinend so dürrer, so einförmiger Boden unter seinen Händen ein wundersames poetisches Leben gewonnen hat. Aber nicht nur die Natur der Mark weiß er uns in unübertrefflichen Landschaftsbildern zu schildern, sondern auch die Eigenthümlichkeit ihrer Bewohner, in alter wie in neuer Zeit, hat er mit Aufmerksamkeit studirt und gibt sie wieder mit einer Sicherheit der Zeichnung und einer Treue der Farbe, wie sie uns bei unsern deutschen Romanschreibern, die durchschnittlich im Reiche der Phantasie besser zu Hause sind als in der Wirklichkeit, wiederum nur höchst selten begegnet. Rechnen wir dazu den gebildeten und einsichtsvollen Patriotismus, welcher alle Schöpfungen unsers Dichters belebt, seine gründliche Kenntniß der vaterländischen Geschichte sowie den glücklichen Takt, mit dem er die wirklich interessanten, die poetisch bedeutenden Momente derselben herauszugreifen weiß, so fürchten wir auf keinen Widerspruch zu stoßen, wenn wir behaupten, daß von allen deutschen Dichtern der Gegenwart Wilibald Alexis dem Ideal des Romandichteis am nächsten kommt.

Auch sein neuestes Weil „Isegrimm. Vaterländischer Roman von W. Alexis" (3 Bde., Berlin, Barthol) zeigt die eben geschilderten Vorzüge unsers Dichters wiederum im hellsten Lichte. Es ist eine Fortsetzung des früher erschienenen „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht", wenn auch die Fäden, welche die beiden Romane verbinden, nur ziemlich locker sind. Wie dort der Zusammensturz des alten Preußen, so werden hier die Elemente geschildert, an denen die Möglichkeit seiner Wiederherstellung sich bildete. Es ist noch nicht die blutig prächtige Morgenröthe von Anno Dreizehn, nur erst die Dämmerung, in welcher Tag und Nacht, alte Schmach und neuer Ruhm noch miteinander im Streite liegen. Doch ahnen wir bereits das hereinbrechende Licht; wo selbst so knorrige, so widerhaarige Charaktere, wie dieser alte Herr von Quarbitz, der neuen Zeit zum Werkzeug dienen müssen, selbst gegen ihren eigenen Willen, da kann der Sieg der guten Sache unmöglich lange ausbleiben. Alles Talent und selbst aller Enthusiasmus ist unfruchtbar, solange ihm der Boden eines gesunden, kräftigen Volkslebens mangelt. Diese Volksnatur, in ihrer dämonischen Ursprünglichkeit, schildert uns der Dichter und wir können es nur billigen, daß er uns dabei auch ihre Auswüchse und Schattenseiten nicht hat verbergen wollen. Ueberhaupt, wenn eine Fülle interessantester Detailmalerei, wenn tiefe Kcnntniß des Gegenstandes und eine edle, mannhafte Gesinnung genügend sind, ein vortreffliches Buch zu liefern, so darf der „Isegrimm" ohne Zweifel auf dieselbe Gunst der Lesewelt rechnen, die den frühern Arbeiten des Verfassers zutheil geworden. Dagegen ist das eigentlich Romanhafte in dem Buch nur schwach; der Held erscheint ganz gegen seine Natur mehr reflectirend als handelnd, und wo er sich endlich zum Handeln entschließt, da entsprechen seine Thaten nicht den Erwartungen, die er in uns rege gemacht. Die ganze Fabel des Buchs ist zu weitläufig angelegt, und die Lockerheit der Ausführung läßt diesen Umstand nur um so sichtbarer werden; die interessantesten Figuren, die spannendsten Situationen werden nur beiläufig, nur in Episoden abgemacht, die zum Theil vortrefflich ausgeführt sind, den Mangel einer durchgreifenden und einheitlichen Handlung aber doch nicht ersetzen können. Irren wir nicht, so hat der Verfasser in zwei Punkten fehlgegriffen und zwar sind es dieselben Punkte, an denen wir schon bei seinem vorletzten Roman Anstoß nahmen; da auch die Irrthümer eines so ausgezeichneten Talents noch immer höchst lehrreich sind, so wollen wir dieselben hier noch einmal zur Sprache bringen. Erstlich hat der Verfasser dem Hange zur Reflexion, der neuerdings bei ihm hervortritt, zu sehr nachgegeben; sein Roman ist zu didaktisch, zu tendenziös. Ganz gewiß soll und darf ein Kunstwerk auch eine politische Grundlage haben; allein dieselbe muß das gesammte Kunstwert durchdringen gleich seiner Seele, seinem Lebenshauch, sie darf nicht hier oder dort in schweren tobten Massen aufliegen wie nacktes Gestein, sondern sie muß sich in poetisches Fleisch und Blut, in Charaktere und Ereignisse verwandelt haben. Der „Isegrimm" ist reich an den vortrefflichsten Bemerkungen über die Lage Preußens zur Zeit des Tilsiter Friedens; Vieles davon ist sichtlich mit nächster Beziehung auf die Gegenwart geschrieben, und allerdings liegt der Vergleich in manchen Punkten so nah, daß es schwer fällt, ihn nicht zu ziehen. Als Zeitungartikel oder auch als eigene Broschüre würden wir diese Betrachtungen mit großem Vergnügen lesen; im Roman dagegen, wo vor allem unsere Phantasie beschäftigt werden soll, wo wir unterhalten, nicht belehrt werden wollen, stören sie; ja ihre allzu häufige Wiederkehr wirkt zuletzt sogar ermüdend und stumpft uns ab gegen die Wahrheit des Inhalts. Ein zweiter und fast noch schlimmerer Fehler besteht in der Vermischung des poetisch erfundenen und des geschichtlich überlieferten Stoffs. Ohne Frage hat der Poet das Recht, die Welt der Wirklichkeit mit den Geschöpfen seiner Phantasie zu bevölkern ; sogar die ganze Kunst und Kraft des Poeten besteht eben nur darin. Aber Geschichte und Erfindung müssen sich gegenseitig durchdringen, es muß ein neues drittes Geschlecht daraus entstehen, welches ebenso sehr der Wirklichkeit wie der Phantasie angehört und eben in dieser Doppelnatur das Zeugniß seines idealen Ursprungs trägt. Im „Isegrimm" dagegen haben wir blos maskirte Geschichte; die historischen Figuren und Zustande sind ganz roh, ganz unvermittelt hinübergenommen, nur mit einem poetischen Mäntelchen um die Schulter, das jedoch den Kundigen nicht zu täuschen vermag, während es den Unkundigen nur in Unruhe und Mißbehagen versetzt. Es entsteht auf diese Weise eine Zwittergattung von Memoire und Roman, die vielleicht für den verwöhnten Zeitgeschmack etwas sehr Pikantes hat, aber doch mit den Grundbedingungen der Kunst ein für alle mal unvereinbar ist. Was der Poet gibt, soll er ganz geben, jedes Kunstwerk muß sich aus sich selbst erklären; ein Roman, bei dem wir jeden Augenblick stillhalten müssen und fragen, wer und was eigentlich gemeint ist, und aha, ganz recht, das ist jener Minister, und der da ist der bekannte General N. N., und diese Situation hier hat sich eigentlich da und da zugetragen und steht da oder dort quellenmäßig beschrieben — nein, ein solcher Roman kann noch immer mit sehr viel Geist geschrieben, er kann eine sehr anziehende, sehr interessante Lecturc sein, aber ein wirklicher Roman, ein eigentliches poetisches Kunstwerk ist er nicht.

 

Julian Schmidt: Geschichte der deutschen Literatur seit Lessing's Tod. Vierte, durchweg umgearbeitete und vermehrte Auflage. Dritter Band. Leipzig: Herbig 1858, S. 203-210.

 

Der historische Roman hat trotz aller Bedenken gegen die Kunstform seine Berechtigung: für das Festhalten einer großen Vergangenheit ist es wichtig, sie in der Totalität aller Lebensbeziehungen zu schildern ; eine Ausgabe, die durch die Geschichtschreibung in einer künstlerischen Form nicht gelöst werden kann. Der Roman erfüllt sie nur dann, wenn er vaterländische Stoffe wählt. Für die Deutschen müßte die Ausgabe lockender sein als für irgendein andres Volk; denn wir haben zwar ein lebhaftes Nationalbewußtsein, aber unsre historischen Traditionen sind gering. Das liegt in der Zersplitterung unsrer Geschichte in kleine Kreise, die doch wieder nicht abgeschlossen genug waren, um in sich selbst die Tradition lebendig zu erhalten Mit Ausnahme von wenig großen Persönlichkeiten stehn uns die Ausländer fast näher, als unsre eignen Erinnerungen. Um ein bis ins Einzelne belebtes und verständliches Gemälde zu geben, muß der Dichter die Provinzialgeschichte zu Grunde legen. Bei uns hat fast jeder Landstrich eine Zeit, wo er mit der allgemeinen Geschichte in Berührung kam und den Inhalt seines individuellen Geistes der Nation übertrug. Im Mittelalter ist zwar viel allgemein historisches Interesse, aber es fehlt die individuelle Färbung. Im 14. und 15. Jahrhundert haben wir Färbung und Material für die Detailzeichnung im Ueberfluß, aber keine Mittel, die Geschichte zu concentriren. Die Reformation ist eine der günstigsten Perioden, denn in ihr wurden alle Theile unsres Vaterlands ausgerüttelt und in Bewegung gesetzt, und sie bietet, wenn nicht einen localen, doch einen geistigen Mittelpunkt. Aus dem dreißigjährigen Kriege, den französischen Raubkriegen, dem siebenjährigen und dem Befreiungskriege schlummert noch eine Fülle von Erinnerungen im Volke, die durch ein lebendiges Gemälde wieder erweckt werden kann.

Wir haben treffliche Vorarbeiten; der Stoff ist durch Gelehrte und Ungelehrte in Märchen, Hagen, Liedern und Gedichten, Kupferstichen und Holzschnitten so reichlich ausgespeichert, daß es an Hülfsmitteln, ein beliebiges Zeitalter bis zur lebendigen Anschaulichkeit zu detailliren, nicht mangelt. Auch an Talenten sehlt es nicht. Wie vielversprechend ist z. B. die historische Färbung im „Götz". „Michael Kohlhaas", den „Kronenwächtern" u. s. w. Aber es hat uns nicht gelingen wollen, in einem größern Werk irgendeine Periode der deutschen Geschichte künstlerisch wiederzugeben. Das Glück, welches die Tromlitz und van der Velde eine Zeit lang bei der Lesewelt gemacht, ist begreiflich: sie sind im Stande, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen; man bewegt sich vorwärts und bleibt in einer gewissen Spannung. Die Seltenheit dieses Talents ist auch ein Symptom von der mangelnden Disciplin in unsrer Bildung, die uns in der Poesie wie in der Politik so unendlich zurückgebracht hat. Ein fernerer Grund ist die zuerst durch die Romantiker, dann durch die Jungdeutschen hervorgerufene und gepflegte Neigung, sich in Empfindungen zu bewegen, die der Natur widersprechen. Wenn man die energischen Charaktere der frühern Zeit auf gleiche Weise subtilisirt, wie die schönen Seelen unsrer Salons, so geht daraus die vollendete Unnatur hervor. Unsre Geschichtsphilosophie ist so gebildet, daß wir über die Absichten, welche der Weltgeist mit seinen Lieblingen gehabt, besser unterrichtet sind als diese selbst: aber zu bescheiden, das Bewußtsein dieser Ueberlegenheit zu tragen, leihen wir unser Bewußtsein jenen Helden und stellen sie dadurch aus einen Kothurn, der es ihnen unmöglich macht, sich srei und nach den Gesetzen der Natur zu bewegen. — Der erste nennenswerthe Dichter ist Wilhelm Hauff, geb. zu Stuttgart 1802, gest. 1827, ein leichtes, anmuthiges Talent, dessen Märchen und Novellen das Bild des Kaisers u. s. w. die Schule Hoffmann's verrathen, aber durch bestimmte Auffassung der wirklichen Zustände und durch Correctheit der Erzählung darüber hinausgehn, Seine Memoiren des Satan und die Phantasien im Bremer Rathskeller sind romantische Capriccios, seine Satire gegen Clauren, damals den beliebtesten unter den deutschen Novellisten (der Mann im Monde 1826), zeigt mehr richtiges Urtheil als Talent. Der historische Roman Lichtenstein (1826) schließt sich durch seine Form an W. Scott, durch seine Sympathien an Uhland und die übrigen Schwaben an. Es ist ein mit patriotischer Warme und gesunder Einsicht angeschautes Stück deutscher Geschichte mit einer scharf ausgesprochenen provinziellen Farbe. Daß die Charakterbilder wenig hervortreten, liegt zum Theil darin, daß seine Neigungen mit seinem Urtheil nicht ganz zusammenfallen. Im lyrischen Gedicht sieht der Feudalismus mit seinen Burgen, seinen ritterlichen Sitten und seinen gemüthlichen Formen artig genug aus; in der ausführlichen Darstellung verliert sich dieser Reiz. Der Dichter hat Unbefangenheit genug, einzusehn, daß sein Held, der wilde Ulrich von Würtemberg, die Hingebung seiner Vasallen nicht verdient, und er ist so ehrlich, seine Ueberzeugung durchblicken zu lassen; allein er hat seine Figuren zu Anfang nach einem andern Maßstab zugeschnitten, und dadurch verlieren sie ihren Halt. Am meisten verfehlt ist der Maschinist des Stücks, der Bauer, der mit einer gewissen Monomanie, sich für seinen Herzog aufzuopfern, behaftet ist. Die wirklichen Bauern jener Zeit waren knorrigere Gestalten. — Ungleich bedeutender und an Talent wie an Bildung überhaupt allen übrigen deutschen Dichtern dieser Gattung überlegen ist Wilhelm Häring (Wilibald Alexis, geb. 1798 zu Breslau). Aus seine Jugendbildung hatte die romantische Schule einen durchgreifenden Einfluß, namentlich Hoffmann. Seine Novellen enthalten phantastische, oft fratzenhafte Gestalten und unheimliche Situationen, vermischt mit langen Gesprächen über Kunst und Literatur, ohne innere Nothwendigkeit durch Laune und Willkür eingegeben. W. Scott stand damals aus dem Gipfel seines Ruhms, und die „gebildeten" deutschen Dichter, die ihn als Naturalisten verachteten, sahen mit geheimem Neid aus seinen Erfolg, Im Walladmor (182Z) versuchte Wilibald Alexis eine Satire gegen ihn, welche deutlich zeigt, wie in ihm selbst die falsche Doctrin mit dem angebornen Talent im Streit lag. Zuerst hat das Buch eine ironische Färbung, die Weise W. Scott's wird ins Fratzenhaste übertrieben, und es fehlt nickt an bittern Bemerkungen. Dann aber lebt sich der Dichter mehr und mehr in seine eignen Erfindungen hinein, seine Virtuositat entfaltet sich in einzelnen Schilderungen, und aus der Satire wird ernsthaste Nachahmung. In Schloß Avalon (1827) sucht die Nachahmung sich nicht mehr zu verstecken. Die Einzelheiten sind zum Theil vortrefflich, aber die Grundidee der Situation ist ungesund. W. Scott wendet in seinem Costüm, in seiner Färbung mit einer Kühnheit, die vor nichts erschrickt, phantastische und excentrische Formen an; aber der innere Kern seiner Charaktere ist ehrlich empfunden und festgehalten, während der Held dieses Romans den Mittelpunkt seiner Seele verloren hat. Wenn man die völlige Umkehr im Charakter eines Helden eintreten lassen will, so muß man ausführlich darauf eingehn, schon um die Haltbarkeit seiner eignen Einfälle zu prüfen. Läßt man die Umwandlung im Verborgenen vor sich gehn, so verwandelt man den dramatischen Verlauf in ein possenhaftes Maskenspiel. Ein späterer Roman Urban Grandier (1843) gehört in dieselbe Richtung.

W. Alexis leistete bei seiner weichen Empfänglichkeit und seiner vielfeitigen Bildung den Strömungen der Zeit nicht immer den gehörigen Widerstand. Nach seiner romantischen Periode folgt eine jungdeutsche, die sich in den Romanen: das Haus Düsterweg (1835) und: Zwölf Nächte (l838) ausspricht. Der Eindruck beider Werke ist um so unangenehmer, da man empfindet, daß die Manier ungekünstelt ist. Die Reihe seiner vaterländischen Romane beginnt mit Cabanis (1832). Der erste Band, der die Schilderungen des berliner Schullebens aus dem Ansang des vorigen Jahrhunderts und die Sitten der französischen Colonie schildert, erregte allgemeinen Jubel, und mit Recht. Es war ein lebensvolles Gemälde, warm empfunden und mit außerordentlichem Talent ausgeführt. Auch in den folgenden Bänden waren einzelne Schilderungen, namentlich vom preußischen Soldatenleben, vortrefflich; aber das Ganze mußte man als Mosaikarbeit empfinden. Die glänzenden Stellen waren mit Liebe und Sorgfalt ausgearbeitet , aber durch einen losen Faden miteinander verbunden, ohne organischen Zusammenhang. Die Fabel war auf den verrückten Einfall eines Sonderlings begründet, der weder ein allgemein menschliches Interesse noch eine Berechtigung als historisches Charakterbild in Anspruch nehmen durste; und mit den übrigen Personen gingen in den Zwischenzeiten, welche die Erzählung übersprang, so ungeheure Veränderungen vor, daß man sie nicht wiedererkannte. Obgleich W. Alexis in den spätern Werken die Technik immer sicherer beherrschte, läßt sich doch die Aehnlichkeit nicht verkennen. Bei der schärfsten Beobachtung der Wirklichkeit und dem kräftigsten Gefühl sind sie doch nicht von innen heraus organisch geschaffen, sondern äußerlich zusammengesetzt. W. Alexis geht nicht von der Natur seiner Personen, nicht einmal von der Handlung aus, sondern es gehn ihm zuerst die äußerlichen Situationen, die Landschaften, Sitten, Zustände u. s. w. im Detail auf, und aus ihnen wachsen dann die Figuren, beinahe wie Arabesken. Gleich W. Scott gibt er seinen Zuständen zunächst dadurch einen Boden, daß er die Localität mit scharf sinnlichem und historischem Auge ansieht und von allen Seiten beleuchtet. Er sucht sich einen festen Mittelpunkt und führt uns auf verschiedenen Wegen unter wechselnden Stimmungen und Lichtern in denselben ein. Die Oede der sandigen Haide, die heiße Luft des Kieferwaldes am schwülen Sommertag, der märkische Landsee im Gebüsch versteckt, die weite Ebene, das Torfmoor, Himmel und Hügel, Luft und Wasser sind mit wunderbarer Farbe belebt und sehr glücklich dazu benutzt, Stimmungen hervorzubringen. Auch die Menschen, welche in dieser Landschaft hausen, ein zähes, tüchtiges, dauerhaftes Geschlecht, mit ihren Wunderlichkeiten und Verirrungen, tüchtigem Willen und Energie sind mit Virtuosität gezeichnet, so oft sie als Staffage bei Ausmalung charakteristischer Zeit- und Landschaftsbilder auftreten. Die rauhe Kraft der Menschen auf diesem Grunde, die hochmüthigen Städter, die Raubritter, die Buschklepper, und was alles von Figuren und menschlicher Thätigkeit zu der märkischen Landschaft paßt, das tritt aus diesen Landschaften imponirend hervor; wir sehn den Wolf über das Wintereis der Havel schleichen und hören die Krähen über den Kieferbusch schreien, der die Stelle einer schwarzen Unthat bezeichnet. Es ist ein grauer, trüber Himmel, der Ton und Luft in diesen Gemälden bestimmt; trotz seiner Monotonie von außerordentlicher Wirkung. Zuweilen beeinträchtigt die Virtuosität in der Färbung die Wahrheit der Charaktere. Der Dichter schildert die Menschen innerhalb dieser Staffage ebenso durch sie ergriffen und bestimmt, wie es einem gebildeten Menschen unsrer Zeit geschehen würde. Dadurch erhält die Situation eine große Lebhaftigkeit, aber auf Kosten der Charakteristik. W. Alexis ist über das, was er will, nicht so völlig Meister, um sich ohne Gefahr in die Arabesken der Situationsmalerei zu verlieren. Er empfindet fein, aber nicht so schlicht und einfach, wie es der Dichter muß, um von den Naturbedingungen unabhängig zu sein. Es ist ein beständiger Kampf zwischen jener falschen, auflösenden Bildung, welche nichts Einfaches und Gesundes versteht und durch Raffinement ihre eigne Leere zu ersetzen sucht, und der Sehnsucht eines tüchtigen Mannes nach derber concreter Wirklichkeit, nach That und Charakter, nach Ehrlichkeit und sicherer Willenskraft. Das Letztere ist bei ihm so stark, daß er die Wirklichkeit in der That ergreift; aber er versteht nicht, sie festzuhalten, es breitet sich plötzlich ein Nebel über seine in kräftigen Tönen ausgeführte Landschaft, Hoffmann'sche Spukgestalten treten daraus hervor, die verständig angelegten Helden verschwimmen in sentimentale Metaphysik, die Begebenheiten gehen sprunghaft weiter, und zuletzt vergißt der Dichter, was er ursprünglich gewollt. Selbst die Sprache verliert ihre historische Färbung. Manche Misgriffe der entgegengesetzten Art, z, B. die Neigung, dem Anekdotischen einen zu großen Spielraum zu geben, sind aus derselben Sucht zu erklären. Die Idee, ein paar Hosen zum Mittelpunkt eines ernsthaften historischen Romans zu machen, immer wieder darauf zurückzukommen und sie zuletzt sogar zum Symbol einer höhern Idee zu verwerthen, ist nichts weiter, als jene Paradoxenjägerei, die auf das Absurde verfällt, um sich vom Gewöhnlichen zu unterscheiden. — Der erste unter den historischen Romanen, welche die allmähliche Enrwickelung des preußischen Staats schildern, war der Roland von Berlin (1840). In unsrer Zeit, wo die bürgerliche Bildung sich mit Bewußtsein der adeligen entgegensetzt, fühlt der Dichter sich leicht getrieben, die historische Entwicklung des Städtewesens zu seinem Gegenstand zu machen. Allein das Interesse für jene Zeit ist zunächst nur ein historisches oder vielmehr politisches, nicht ein ästhetisches. In dieser Beziehung waren W. Scott und seine Nachfolger, die das alte Ritterthum aus dem Schutt wieder aufgruben, viel günstiger gestellt. Denn so wenig politischer Verstand in den Begebenheiten zu finden war, die sie mit dem Schimmer der Poesie verherrlichten, soviel individuelles Interesse boten ihnen ihre Stoffe. Die Sitten des Ritterthums, wenn man sie geschickt zu gruppiren verstand, konnten als ein ideales Costüm aufgefaßt werden. Die politischen Beziehungen waren leicht zu übersehn, denn sie beruhten theils auf der gleichmäßigen Tradition, theils auf persönlichen Interessen und Launen; sie fanden ihren Mittelpunkt in der strahlenden Persönlichkeit von Helden und Fürsten, und sie erweckten auch kein politisches Bedenken, da sie keine unmittelbare Beziehung zur Gegenwart hatten. Anders ist's mit der Geschichte der deutschen Städte. Sie macht einen großen Eindruck, wenn man sie als Ganzes auffaßt und von der welthistorischen Warte betrachtet. Aber das Leben in den Städten des Mittelalters ist unserm Bürgerthum ebenso fremd geworden, wie das Ritterwesen, und entbehrt den Vorzug eines idealen Costüms: wenn man ins Einzelne geht, so enthält es sehr vieles Kleine, Gehässige und Widerwärtige. Der Gegensatz der Zünfte gegen die Geschlechter entzieht sich viel mehr der poetischen Darstellung, als die Fehden der Ritter, ihre Turniere und Liebesgeschichten, und wenn man in dem unbefangenen Leser einmal die romantische Stimmung erweckt, so wird er sich leicht versucht fühlen, für den patriarchalischen Klopssechter, den Ritter mit der eisernen Hand gegen die Pfefferkrämer und Tuchfabrikanten Partei zu nehmen. Denn was jeder rechte Romanleser als Convenienz verabscheuen muß. war in den Städten viel concentrirter und dabei viel kleinlicher anzutreffen, als in den Schlössern des Adels. Ein zweiter Uebelstand ist die Verworrenheit der politischen Beziehungen. Um ihre Rechte gegen die übermächtigen Fürsten und Edelleute zu wahren, mußten die kühnen Vorfechter der Städte in die allgemeinen Intriguen eingehn, die wir erst von vielen Seiten betrachten und analysiren müssen, ehe wir ein Urtheil und damit eine wirkliche Theilnahme gewinnen. Das Interesse der Stadt konnte es zuweilen, mit sich bringen, Zustände stützen zu wollen, die unhaltbar waren, und wenn wir diese Verwickelungen hin und her überlegen, um uns ein Urtheil zu bilden, so wird unsre Aufmerksamkeit von der Sache abgelenkt. Ganz hat W. Alexis diese Schwierigkeit nicht überwunden. Er verlegt den Kampf zwischen den Städten und der Fürstengewalt in zwei harte, gewaltthätige, aus einem Guß hervorgegangene Naturen, deren Zusammenstoß tödtlich sein muß ; aber beide, der Bürgermeister von Berlin, wie der eiserne Kurfürst, sind nicht ganz unbefangen. Es lebt in ihnen zu viel von dem Bewußtsein unsrer eignen Zeit über die Bedeutung jenes Conflicts, als daß sie ihrer Natur ganz treu bleiben könnten. Der Ausgang entspringt daher nicht aus der Natur des Gegenstandes, sondern aus der Reflexion. Aber die außerordentlichsten Vorzüge entschädigen uns für diesen Fehler. Wie V. Hugo in Notre-Dame, legt W. Alexis seinem Gemälde die altdeutsche Architektur zu Grunde, und es sieht fast so aus, als ob die Menschen etwas von der Natur jener fratzenhasten Bildwerke annehmen, die sie täglich vor Augen sehn. Aber der Geist geht doch nicht ganz in die Symbolik der Materie aus. Jene Menschen haben zugleich ein kräftiges, reichbewegtes eignes Leben, und dieses Leben drängt sich in sinnlicher Gegenwart aus. — Weniger gelungen ist der falsche Waldemar (1842), trotz einzelner vortrefflicher Scenen. Der Dichter hat sich ein unhaltbares psychologisches Problem gestellt, indem er Waldemar weder als einen Betrüger, noch als den echten Markgrafen, sondern als eine Mischung aus beiden darzustellen sucht, als einen Nachtwandler, der sich in die Seele eines andern eingelebt hat. Das trübe Licht dieses geheimnißvollen Seelenlebens verbreitet über das ganze Gemälde eine falsche Färbung. — In den Hosen des Herrn von Bredow (1846—48) ist die Staffage, und was dazu gehört, das Leben der Landedelleute, mit einem so bezaubernden Realismus dargestellt, und zugleich mit einem so seinen Humor, daß wir das Beste erwarten. Aber je weiter wir kommen, je mehr werden wir enttäuscht. Sobald die vorbereitenden Genrebilder aufhören, sobald es daraus ankommt, Männer von einem wirklichen Inhalt, von einer großen Ueberzeugung darzustellen, die mit Hintansetzung aller Nebenumstände rücksichtslos aus ihr Ziel losgehn, geht es dem Dichter, wie im Roland von Berlin, er verliert sich in psychische Abnormitäten, und die Entwickelung geht aus dem Historischen ins Pathologische über. — Kühner ist der Entwurf in dem Roman: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht (1850), der uns mit einem großen historischen Blick in die Wirren der Napoleonischen Zeit einführt. Was uns in diesem Werk zunächst wohlthätig berührt, ist der lebendige patriotische Geist, in dem es geschrieben ist. Wir meinen damit nicht jene lyrischen Ausbrüche der Vaterlandsliebe, die nicht schwer ins Gewicht fallen, sondern die Fähigkeit, den Patriotismus in concreten Gestalten darzustellen, W. Alexis hat das preußische Wesen stark und warm empfunden, und er weiß zu bewegen und zu rühren, obgleich er keinen Anstand nimmt, die Schattenseiten grell hervorzuheben. Die Schilderung der Männer, die damals Preußens Schande verschuldeten, ist so scharf und schneidend, daß man sie nur aus lebendigem Haß erklären kann, und dieser Haß thut wohl in unsrer Zeit. Allein diese historischen Gemälde bilden nur den Hintergrund ; das eigentlich romantische Interesse knüpft sich an die psychologische Schilderung der bekannten Giftmischerin Ursinus, der noch ein andrer Giftmischer, ein Herr von Wandel, beigesellt ist, auch eine Reminiscenz aus den Criminalacten. W. Alexis hat die vielen Jahre hindurch, daß er den Neuen Pitaval* [Diese Sammlung, seit l842 von Ed. Hitzig und W. Häring herausgegeben, hat sich mehr einzuschmeicheln gewußt, als irgendeine frühere. Das juristische Interesse ist in derselben nur spärlich vertreten, dagegen ist die belletristische Form mit großem Geschick gehandhabt.] herausgibt, sich so in das psychologische Raffinement der Verbrechergeschichten vertieft, daß er es in seinen Erzählungen nicht los werden kann. Er versucht sein Interesse zu rechtfertigen durch einen Regierungsrath, der aus der Verwaltung in die Justiz zurücktritt: „Ich lebe jetzt für die Verbrecherwelt. Die Wahrheit, die ich in der Psychologie des Staats nicht fand, suche ich in der der Gefängnisse. Es ist eigentlich derselbe Stempel, nur ursprünglicher, frischer. Dort sehn wir nur Stückwerk, hier Totalitäten. Wie aus dem unscheinbaren Keim eine ganze Verbrecherlaufbahn entspringt, wie die erste Unterlassungssünde, die Scham darüber, das Streben, es zu verbergen, ebenso oft als der Kitzel der Lust das Individuum weiter treibt, gäbe das keine Belehrung, ja Erhebung? Da in der großen Geschichte vertuscht man es, wie aus dem Kleinen das Ungeheuere sich ballt; hier ist kein Grund dazu. Die Diplomaten und Historiker fehlen, die das Schlechte schön malen, dem Albernen einen tiefen Sinn unterlegen, die Natur gibt sich, wie sie ist. Und wenn mitten aus der Verworfenheit ein schöner menschlicher Zug wie ein Licht aus bessern Welten hervorschießt, da kann dem Criminalisten eine Thräne ins Auge treten, und er kann den Verbrecher lieben, den er verdammen muß. Der Sprung aus der Politik in die Criminalistik ist für mich zur Rettung geworden; aus einer Welt der Verwesung, über der der gleißende Schein immer mehr reißt, in eine Naturwelt, wo es noch chaotisch daliegt, unschön, meinetwegen ekelhaft, aber es ist die grelle Naturwahrheit. Jetzt begreife ich die Völkerwanderung. Die Barbaren, welche die römische Culturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa hohe Engel aus dem Paradiese, auch unter ihnen grassirten Laster, Blutsünde und Greuel aller Art, aber sie waren der frische Ausdruck des gigantischen Menschengeschlechts. Wenn Sie in der Verbrecherwelt nur einen andern Abklatsch der höhern Stände erblicken, so zergliedere, arrangire ich sie mir, ich finde Erklärung für vieles, was oben im Licht geschieht, in meinem Schattenreich."—Das Verbrechen ist keineswegs ein Ausdruck der Naturkraft, nicht einmal ein Ausdruck für die Schwächen der wirklichen Gesellschaft: es ist immer eine Anomalie. Nicht die Gewaltsamkeit oder die Bosheit macht seine Natur ans, sondern einfach der bewußte Conflict mit der Criminaljustiz. Wo so etwas in den höhern Ständen vorkommt, bei denen das Zuchthaus, der Pranger, der Galgen doch einen Eindruck auf das ästhetische Gefuhl hervorbringen, da liegt eine so große Anomalie in der Seele (wir meinen damit keineswegs eine criminalistisch rechtfertigende Krankheit), daß sie eigentlich nicht in den Kreis der Dichtung gehört. Die criminalistische Poesie der neuesten Zeit ist eine Verirrung des Geschmacks. Verbrechen, in welchen die Mittel im Verhältniß zum Zweck stehn, wie die eines Macbeth und Richard 3., können die Seele erschüttern, aber wenn die Geheimräthin Ursinus den Kindern ihres Bruders, ja selbst ihrem Bedienten, Rattenpulver eingibt, theils weil sie sie nicht leiden kann, theils aber auch blos aus einem verrückten Gelüst, so ist das eine abscheuliche Curiosität, die in unsern Gefühlen auf keine verwandte Saite trifft. W. Alexis hat mit bewundernswürdiger Feinheit die Seele dieses misgeschaffenen Scheusals analysirt, aber wir fühlen uns doch durch die übel verschwendete Mühe verstimmt. Daß die Romanschreiber gern zu Criminalgeschichten greifen, ist aus der romantischen Spannung des Geheimnisses zu erklären; doch war früher nicht der wirkliche Missethäter der Gegenstand des Interesses, sondern der Beschädigte oder unschuldig Angeklagte. Seit Schiller's Räubern hat sich das Verhältniß umgekehrt; jener Geist der Philanthropie, der zuerst dahin wirkte, die Verbrecher menschlich zu behandeln, die Strafen zu mildern, die Gefängnisse zu verbessern, verirrte sich zuletzt soweit, daß er im Verbrecher, wie mancher Anatom in der physischen Misgeburt, den anziehendsten Gegenstand der Beobachtung, daß er in der Anlage zum Verbrechen eine gewisse Genialität fand. Das Sprunghafte in der Entwickelung, das sich bei der Analyse misgeschaffener Seelen nicht vermeiden läßt, geht dann auch auf die Zeichnung der andern Charaktere über. So soll die Heldin als ein Ideal von klarem Gefühl, richtigem Verstand und starkem Willen geschildert werden; da sie aber aus einer unsinnigen Situation in die andre gestoßen, sich nur bruchstückartig abzeichnet, so können wir uns von ihr kein zusammenhängendes Bild entwerfen. Es kommt noch die jungdeutsche Neigung dazu, den Leser zu überraschen. Der Schluß ist völlig unbefriedigend: das Schicksal haut mit blinder Wuth rechts und links hinein, und wir verlieren die Personen, für die wir uns interessiren, ohne irgendeine Katastrophe einfach aus den Augen. Isegrim (1853) beginnt mit der Zeit nach der Schlacht von Jena und dehnt sich bis zur Revolution aus. Auch hier tritt uns ein warmes patriotisches Gefühl entgegen, das sich aber zu sehr in Unterhaltungen ausgibt und dadurch den verwickelten Gang der Begebenheiten noch mehr verwirrt. Die Staffagen sind mit der bekannten Virtuosität ausgeführt, das Aeußerliche der Charaktere mit vollendeter Künstlerschaft gezeichnet; dagegen tritt die Neigung zum Wunderlichen und Unerwarteten noch unbequemer als früher hervor, und die weite Ausdehnung der Zeit gibt den Gestalten etwas Dämmerhaftes und Verschwimmendes. Durch einzelne Züge, die wie psychologische Experimente aussehn, kommt selbst in die Physiognomie derjenigen Personen, die uns am werthesten geworden sind, etwas Ungesundes. Die anscheinend auf den solidesten Grundlagen aufgerichtete Welt des Romans verschwimmt in ein lügenhaftes Wesen, das an Tieck's Novellen erinnert, und mit einem unbehaglichen Grau breitet sich die alte Ironie der Romantik über das mit sovieler Liebe entworfene historische Zeitalter. Es ist W. Alexis nicht gelungen, sich den falschen Voraussetzungen seiner frühern Bildung ganz zu entwinden und so seinem Vaterland ein neuer W. Scott zu werden, wozu ihn die Natur mit den reichlichsten Gaben ausgestattet hatte.

 

Ludwig Salomon: Geschichte der deutschen Nationalliteratur (1887), S. 450 ff.

 

Viel umfassender als Keller, wenn auch ebenfalls mannigfach gehemmt, vermochte ein Dichter Norddeutschlands das wieder langsam erwachende politische Leben durch eine Reihe tüchtiger historischer Romane zu fördern: Willibald Alexis. Das erste Auftreten dieses Schriftstellers fällt bereits in die zwanziger Jahre, allein erst in den fünfzigern kam er zur Geltung; erst jetzt hatte sich der historische Sinn, das patriotische Bewußtsein der Nation so weit entwickelt, daß sie „Cabanis", „Der Roland von Berlin", „Der falsche Waldemar", „Die Hosen des Herrn von Bredow" mit Genuß und Erfolg lesen konnte, und nun erst entfaltete auch Alexis seine ganze Kraft im „Isegrim", in welchem die vom nationalen Gedanken getragene deutsche Zähigkeit und deutsche Liebe mit Meisterschaft geschildert sind. Wir stellen daher den Dichter auch hier in die Reihe dieser jugendlichen Genossen, unter denen er sich aus den ersten Blick etwas fremd ausnehmen mag, zu denen er aber seinem innersten Wesen nach vollständig gehört. Alexis, mit seinem wirklichen Namen Georg Wilhelm Heinrich Häring, stammte aus einer bretonischen Emigrantenfamilie und wurde am 29. Juni 1798 zu Breslau geboren, siedelte aber schon früh nach Berlin über, besuchte die dortigen Bildungsanstalten, nahm sodann 1815 als Freiwilliger an den Feldzügen gegen Frankreich teil, studierte, nach Berlin zurückgekehrt, die Rechte und trat beim Kammergericht als Referendar ein. Schon bald gab er jedoch seine juristische Karriere auf und widmete sich einzig und allein schriftstellerischen Arbeiten. Die erste Anregung zu dichterischem Schaffen empfing er von Walter Seott, dessen Manier er in seinem Erstlingswerke „Walladmor" (3 Bde.. Berl. 1823 bis 24) so täuschend nachahmte, daß er wagen durfte, es unter Scotts eigenem Namen herauszugeben und sich nur als Übersetzer zu nennen. Die kecke Mystifikation gelang auch ganz vollständig, und Kritik und Publikum hielten den Roman lange Zeit für eine Schöpfung des großen Schotten. Alexis schrieb daraus noch ein Seitenstück zu „Walladmor", „Schloß Avalon" (3 Bde.. Lpzg. 1827), wandte sich dann aber selbständigerem Schaffen zu. Scott hatte die Helden seiner Heimat verherrlicht — besaß Deutschland nicht ebenfalls eine reiche historische Vergangenheit, nicht ebenfalls gewaltige, urkräftige und eigenartige Recken, und mußte die Schilderung ihrer Kämpfe und Schicksale das deutsche Publikum nicht weit mehr anziehen, als die fremde schottische Welt? So fragte sich der Dichter, als er sich aus dem Banne des Einsiedlers von Abbotsford befreien wollte, und, nachdem er Umschau gehalten, trat er an die hohe Gestalt Friedrichs des Großen heran, zu jenem Helden, der das deutsche Volk wieder aus seiner Dumpfheit und Stumpfheit erweckt hatte, und der noch immer die erste Stelle im Herzen der Nation einnahm. Mit großem Geschick entwarf er sodann in „Cabanis" (6 Bde.. Berl. 1832) ein außerordentlich treues und anschauliches breites Kultur- und Sittenbild der friederizianischen Zeit, führte sowohl hinaus in den Kriegslärm, wie in die aristokratischen Zirkel und die Bürgerstuben der Hauptstadt und tauchte die ganze Dichtung in die wärmste Farbe nationaler Gesinnung. Trotzdem fand das Werk nur geringen Beifall; das junge Teutschland führte zur Zeit das Regiment und nahm mit seinen sozialen Problemen und seinem Kosmopolitismus alle Köpfe gefangen. Alexis meinte daher aus falschem Wege zu sein und wandte sich ebenfalls den sozialen Kämpfen zu, allein aus diesem Fechtplatze war er vollständig an der unrechten Stelle, hier fehlte ihm vor allem die Beweglichkeit und die dialektische Schärfe. Die Romane „Das Haus Düsterweg" (2 Bde., Lpzg. 1835), „Zwölf Nächte" (3 Bde., Berl. 1838) und verschiedene Novellen, die er in jungdeutschem Sinne schrieb, gehören zu seinen schwächsten Leistungen. Das fühlte auch der Dichter selbst und kehrte zum historischen vaterländischen Romane zurück, doch stieg er jetzt tiefer in die Vergangenheit hinab, um dem Publikum so viel wie möglich Neues zu bieten. Es entstanden „Der Roland von Berlin" (3 Bde., Lpzg. 1840), „Der falsche Waldemar" (3 Bde., Berl. 1842) und „Die Hosen des Herrn von Bredow" (5 Bde., Berl. 1846—48). In diesen Romanen schildert der Dichter die alte Tüchtigkeit des Volkes, den straffen Bürgersinn desselben, der sich allen Unterdrückungen und Beeinträchtigungen der Freiheit energisch widersetzt, doch ohne alle Überschwenglichkeit, vielmehr mit einer gewissen treuherzigen Behaglichkeit, bei der er sich freilich auch bisweilen in allzugroße Breite verliert. Von besonderem Reiz ist dabei die Treue des Lokaltones; die Städte und Dörfer der Mark, ihre weiten sonnenbeschienenen Heiden, ihre dunkeln Kieferwälder, ihre stillen schilfbewachsenen Seeen weiß er uns mit allen charakteristischen Eigentümlichkeiten und Einzelheiten so plastisch vor Augen zu führen, daß uns bei der Lektüre oft ist, als wanderten wir selbst über das weite, mit Erika überwucherte Blachfeld, umsummt von emsigen Bienen, oder schritten wir selbst durch den Wald, umweht von dem frisch-kräftigen Dufte des Kiefernharzes. Einem großen Teile des Publikums, das bisher von dieser, wenn auch immerhin schlichten, so doch überaus eigenartigen Natur keine Ahnung gehabt hatte, erschloß er damit eine ganz neue Welt.

Nach der Revolution von 1848 trat Alexis wieder in die neuere Zeit hinüber und zugleich, wie schon oben bemerkt, in die wichtigste Periode seines Schaffens. Er entrollte zunächst in „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" (5 Bde. Berl. 1852) dem Volke ein großes Bild aus Deutschlands Zeit der tiefsten Schmach und dann im „Isegrim" (3 Bde., ebd. 1854) ein nicht minder umfangreiches aus den ruhmreichen Tagen der Erhebung. In dem ersteren ging er aus die Ursache der schweren Niederlagen zurück und wies nach, daß sie in dem „klugen und vorsichtigen" Abfall vom nationalen Gedanken zu finden sei, und in dem letzteren zeigte er, daß nur durch die Rückkehr zum nationalen Gedanken die Abwerfung der Fremdherrschaft ermöglicht werden konnte. Also den nationalen Gedanken auch jetzt, in der allgemeinen Mut- und Hoffnungslosigkeit, wieder mit allem Eifer zu hegen und zu pflegen, war die Lehre, die er den Patrioten mit seinen beiden Werken geben wollte. Und er wurde auch wohl von allen denkenden Lesern verstanden und trug infolgedessen nicht unwesentlich zur Erstarkung des neuen nationalen Lebens bei. Zu bedauern ist nur, daß der Dichter es nicht verstand, seine Romane kunstgerecht auszubauen; Nebensächliches behandelt er meist mit derselben Ausführlichkeit, wie Hauptscenen, und kulturhistorische Schilderungen überwuchern nicht selten auf lange Strecken hin den Faden der Erzählung. Dagegen ist die Charakteristik der einzelnen Personen meisterhaft zu nennen; der Major von der Quarbitz auf Ilitz, der „Isegrim", ist das Urbild eines knorrigen, starrköpfigen, aber ehrenfesten märkischen Junkers alten Schlages, und die übrigen Menschen, der Kandidat Mauritz, der Kürassier-Oberst der großen Armee „Marquis" d'Espignac und selbst der Kutscher Lamprecht, sind sie nicht sämtlich Figuren mit frischestem Lebensblute?

Leider sollte der „Isegrim" das letzte bedeutende Werk des Dichters sein; im Jahre 1857 traf ihn ein Gehirnschlag, der ihn seiner Geisteskräfte beraubte und ihn zu einem langen Siechtume verurteilte. Er starb erst am 16. Dezember 1871 zu Arnstadt in Thüringen, wohin er. in der Hoffnung, in der frischen Bergluft wieder zu gesunden, von Berlin aus 1859 übergesiedelt war. Seine „Gesammelten Werke" erschienen in 18 Bänden zu Berlin 1861—65.

 

Friedrich Kummer: Deutsche Literaturgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts (1906), S. 272-274

 

Die Entwicklung von Wilibald Alexis war ganz eigentümlich. In seiner ersten Periode war er romantisch und von anderen Vorbildern abhängig (Walladmor, Schloß Avalon), in seiner zweiten Periode war er selbständig, das Werk dieser Zeit ist der Roman Cabanis, doch stieß der Dichter bei diesem ersten vaterländischen Roman auf den Widerstand seiner Freunde wie der Kritik; in seiner dritten Periode, versuchte es Wilibald Alexis einmal mit dem jungdeutschen Wesen (Haus Düsterweg, Die zwölf Nächte 1838); in der vierten Periode endlich nach 1840 begab er sich wieder auf das Gebiet der vaterländischen Romane, wo er selbständig war.

W. Alexis' unvergängliches Verdienst besteht darin, daß er den deutschen Ge schichtsroman auf dem Boden der Mark Brandenburg geschaffen hat; daß er ferner im Gegensatz zu Freiligrath, Lenau und anderen, die exotische Natur bewundernden Dichtern, die eigentümliche Schönheit, die spröden Reize der norddeutschen Landschaft dem Verständnis erschlossen und endlich, daß er in scharf gezeichneten Kleinbildern aus dem Alltagsleben die größte Treue und Schlichtheit in der Wiedergabe des wirklichen Lebens bewiesen hat. Nur mit teilweiser Berechtigung freilich darf man Alexis den märkischen Scott nennen. Wohl können beide Dichter in warmer Vaterlandsliebe, in Begeisterung für die Vergangenheit ihres Volkes miteinander wetteifern; aber Scott ist denn doch der größere Erfinder, der bessere Erzähler, der gefälligere Künstler. W. Alexis dagegen besitzt mehr Wucht, mehr Tiefe, aber sein Stil ist oft schwerfällig, der Aufbau seiner Werke oft kraus, die Charaktere sind oft nur halb zur Vollendung gediehen und die Situationen sind zersplittert. Das Edelste an Alexis' Erzählungen bleibt seine Begeisterung für die Geschichte und das Land der Mark. Er weiß in den dunkelsten Perioden der heimischen Geschichte Bescheid und läßt die Großtaten der brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten wie der preußischen Könige in lebensvollen Schilderungen vor uns erstehen. Ein glänzendes geschichtliches Bild reiht sich an das andere. Der Held in Alexis' Romanen ist nicht der jeweilige Fürst, sondern das märkische Volk. Dies ist echte Dichterart, wie auch Kleist und Fontane sich stets von einer Verherrlichung und einseitigen schönfärbenden Darstellung des Herrscherhauses fern gehalten haben. Alexis war der erste, der der märkischen Heide ihre eigentümlichen Reize ablauschte. Die alten Städte, deren Backsteinkirchen und Ringmauern sich in Havel und Spree spiegeln, die winklige Burg des Herrn von Bredow, das Rathaus auf der Brücke zwischen Berlin und Kölln, die einsamen blauen Seen in der sonnenbeschienenen Heide mit ihren Kiefern und Farnkräutern, das dunkle Moor im Schnee und Eis des späten Wintertages: all das weiß uns der Dichter in anschaulichster Weise vorzuführen. Er verband Natur und Schicksal, Landschaftsschilderung und Seelenstimmung: darin hat Alexis vorbildlich auf alle späteren Romandichter gewirkt. Hervorhebung verdienen die köstlichen Sittenschilderungen, realistische Bilder aus vier Jahrhunderten von dem falschen Waldemar bis zur Schlacht bei Jena. Angeführt seien folgende: Das Großreinemachen der Frau von Bredow auf ihrer Burg, wobei sie der Kurfürst überrascht; die stürmische Sitzung im Rathaus von Berlin; die Flucht des Kurfürsten Joachim vor dem Weltuntergang auf den Kreuzberg; das Leben der französischen Kolonie unter Friedrich dem Großen; der Ausflug einer Berliner Bürgerfamilie nach Tempelhof; das Festmahl zu Ehren Jean Pauls; das Leben und Treiben in Berlin vor und nach der Niederlage bei Jena u. a. Trotz seiner märkischen Eigenart war W. Alexis doch niemals der eitle Künder der preußischen Ruhmestaten, vielmehr empfand er stets den Zusammenhang von Mark und Reich und erweiterte so seine Werke zu wahrhaft deutschen Romanen.

Nicht alle von den acht geschichtlichen Romanen aus der brandenburgischen Geschichte sind von gleichem Werte. Die bedeutendsten sind: Der Roland von Berlin, Die Hosen des Herrn von Bredow, Tabanis, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.

Der falsche Waldemar führt ins 14. Jahrhundert, vielfach hat die Sage das Leben des falschen Waldemar ausgeschmückt. Er war ein Werkzeug in der Hand Kaiser Karls des Vierten gegen den Markgrafen Ludwig den Ersten von Bayern. Der falsche Waldemar kam ins Land, als die Mark der Wut ihrer Feinde völlig preisgegeben war. Der Thronforderer besaß überraschende Ähnlichkeit mit dem verschollenen Markgrafen und kannte dessen Leben und geheimste Absichten, von seiner Sendung erfüllt, fühlte er sich als echt, obschon er nur ein Müllersknecht namens Jakob Rehbock war. Er wurde schließlich besiegt und mußte sich unterwerfen (gestorben 1356).

Im Roland von Berlin geht der Dichter um ein volles Jahrhundert in der Geschichte vorwärts. Dieser Roman spielt unter der Regierung des zweiten hohenzollerschen Kurfürsten, Friedrichs des Eisernen (1440 bis 1470) und behandelt den Kampf des Kurfürsten mit der fast reichsstädtisch unabhängigen Bürgerschaft Berlins. Das Sinnbild des höchsten städtischen Rechtes, des Blutbannes, ist die Rolandssäule. Kurfürst Friedrich vertritt die allgemeine Wohlfahrt des Landes und das fürstliche Recht; Widerpart ist der stolze, starre Verfechter des verbrieften Stadtrechtes, der Bürgermeister Johannes Rathenow. Berlin unterliegt, der steinerne Roland wird durch die Straßen geschleift und in die Spree geworfen, der Bürgermeister wird verbannt, aber auch Kurfürst Friedrich der Eiserne verläßt nach jahrelangem Ringen krank und lebensmüde die Mark.

Im Mittelpunkt des Romans Die Hosen des Herrn von Bredow steht Kurfürst Joachim der Erste, der den Beinamen Nestor führt (1499 bis 1535). Noch ist der Kampf mit den Raubrittern nicht zu Ende, so streng der Landesherr auch gegen sie vorgeht. Vielmehr bildet sich eine Verschwörung gegen sein Leben, in die auch der biderbe Ritter Götz auf Hohenziatz verstrickt wird. Er ist ein gewaltiger Trinker, und nur wenn er seinen achttägigen Rausch ausschläft, kann Brigitte, seine ehrsame Hausfrau, die Elennlederhosen waschen, von denen er sich sonst niemals trennt, da er kein anderes Paar besitzt. Frau Brigitte gibt ihrem Eheherrn die Hosen nicht heraus, als politische Verwicklungen drohen und hält den Ritter dadurch von der Teilnahme an der Verschwörung gegen den Kurfürsten ab, die ihm sonst Leben und Freiheit gekostet hätte.

Der Wärwolf  ist die Fortsetzung des vorigen Romans. Kurfürst Joachim hält an der römischen Kirche fest, obgleich die lutherische Lehre viel Anhänger im Lande gewonnen hat. Unter dem Wärwolf versteht der Dichter den Geist der Unruhe, der im Lande umgeht. Die ausgeprägteste Figur im Wärwolf ist der Raubritter Hake von Stülpe.

Dorothee, ein Roman aus der letzten Zeit des großen Kurfürsten (1640-1688), ist der schwächste in der ganzen Reihe.

Cabanis führt uns in der Zeit Friedrichs des Großen in eine Familie der französischen Kolonie in Berlin. Der Dichter verwob eigene Jugenderinnerungen in diesen Roman. Der Marquis von Cabanis ist nur Titelheld, der wirkliche Mittelpunkt der Erzählung ist ein Abkömmling der Refugies, namens Etienne. Das Werk ist ein interessantes Sittenbild aus dem siebenjährigen Kriege´.

Ruhe ist die erste Bürgerpflicht und Isegrim, zwei Romane ans der Zeit Friedrich Wilhelms des Dritten, hängen nahe miteinander zusammen. Der erste (übrigens bedeutendere) Roman führt bis zum Jahre 1806, der zweite entrollt ein Zeitgemälde aus den Jahren der napoleonischen Herrschaft; ein dritter Teil: Großbeeren sollte den Abschluß bilden, blieb aber Entwurf. Mit den Worten „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" forderte nach der Schlacht bei Jena der Minister Graf Schulenburg die Berliner zur Besonnenheit auf. In dem Roman werden die Ursachen gezeigt, die zur Niederlage Preußens bei Jena führten: Fäulnis der Sitten, die Überhebung der Offiziere, die Schlaffheit der Beamten, die Weichlichkeit der Charaktere; die höheren Stände, so lautet die Grundidee, sind schuld an dem Unglück von Jena, aber im kleinen Landadel, dem untern Bürgertum und dem Bauernstand liegt die Kraft und Tüchtigkeit, die Preußen sieben Jahre später zu retten vermag. Isegrim, die Hauptperson des gleichnamigen Romans, ist der Beiname des rauhen, heftigen, aber tapferen und hochherzigen Herrn von Quarbitz auf Ilitz, dessen patriarchalisches Schalten und Walten in Seiten schwerster Not uns vor Augen gestellt wird. Von Wilibald Alexis ging Theodor Fontane, der Wanderer durch die Mark, der preußische Lyriker und der moderne Romanschriftsteller aus.

 

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